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  • AutorenbildDr. Gerd Scholl

Kleine Schritte mit grosser Wirkung

Wie kann eine Organisation eine nachhaltige Strategie wirksam entwickeln und umsetzen?


Da gibt es die einen, die sagen: es braucht einen Masterplan. Dieser beginnt bei der Entwicklung einer nachhaltigen unternehmerischen Vision, aus der dann die strategische Ausrichtung des Unternehmens folgt, die ihrerseits die Strukturen und Prozesse im Unternehmen sowie das Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmt. Dieser „zweckrationale“ Ansatz (Kühl 2016) hat Grenzen: Er vernachlässigt mögliche Zielkonflikte, unterschätzt die Komplexität des Unternehmens als soziales Gebilde und übersieht die Ungewissheit, mit der Organisationen in der VUCA-Welt konfrontiert sind. Also in einer Welt, die von Unbeständigkeit (Volatility), Unsicherheit (Uncertainty), Komplexität (Complexity), Mehrdeutigkeit (Ambiguity) gekennzeichnet ist.


Daher gibt es andere, die sagen: sinnvoller als ein Masterplan sind viele, kleine, vortastende Schritte. Bekannt geworden ist diese Vorgehensweise unter dem Begriff „Effectuation“. Er geht auf Saras Sarasvathy zurück, eine international anerkannte Entrepreneurship-Forscherin (Sarasvathy 2001). Ihre Analyse der Vorgehensweise erfolgreicher Unternehmer brachte vier Prinzipien hervor, an der sich eine kleinschrittige Strategieentwicklung und -umsetzung ausrichtet (Faschingbauer 2013):


1. Mittelorientierung: Wer sind wir, was wissen wir, wen kennen wir? Hier geht es um Werte und Identität eines Unternehmens, um vorhandenes Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter sowie um soziale Netzwerke und Kontakte zu Stakeholdern. Aus diesen Mitteln werden Zielvorstellungen abgeleitet. Dabei wird ein traditionsreicher Mittelständler aus dem produzierenden Gewerbe vermutlich andere Zielkorridore für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung formulieren als ein innovatives High-Tech Start-Up.


2. Leistbarer Verlust: Orientiert wird sich nicht an einem zukünftig erwarteten Ertrag, denn derartige Prognosen sind nicht mehr zuverlässig. Richtschnur des Handelns ist vielmehr das, was man maximal zu verlieren bereit ist. Dies umfasst nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Reputation, Selbstwert usw. So wird besagter Mittelständler im ersten Schritt vielleicht mit einem ressourceneffizienten Prototypen in seiner Produktpalette oder einem beispielhaften Lieferanten-Assessment starten – bevor weiter reichende Nachhaltigkeitsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.


3. Umstände und Zufälle: Diesem Prinzip nach werden unerwartete Ereignisse, Begegnungen oder Informationen nicht als Hindernis bei der Strategieumsetzung betrachtet, sondern als Hebel für eine Ausweitung der Mittel oder Anpassung der Zielvorstellungen genutzt. Stellt sich beispielsweise bei erwähntem mittelständischem Betrieb heraus, dass ein Nachhaltigkeits-Assessment eines Lieferanten unerwartet kostspielig und kompliziert ist, so kann dies dazu führen nach entsprechenden Brancheninitiativen Ausschau zu halten und sich mit anderen Abnehmern auszutauschen oder zusammenzuschließen.


4. Vereinbarungen und Partnerschaften: Wer dem Effectuation-Ansatz folgt, geht frühzeitig Vereinbarungen mit Partnern ein, die zum Vorhaben etwas beitragen können – und wartet nicht bis er die ‚richtigen‘ Partner gefunden hat. Partner bringen Mittel ein und helfen die Unsicherheit zu verringern. Im obigen Beispiel könnten dies etwa Werkstudenten sein, die im Rahmen einer Masterarbeit ökologische und soziale Hot-Spots der Lieferkette systematisch aufbereiten.


Ins Tun kommen


Wer nach der unternehmerischen Methode der Effectuation vorgeht, kommt schneller ins Tun – und hat gleichwohl ausreichend Orientierung. Dabei können schnell und flexibel verschiedene Maßnahmen erprobt werden. Was gelingt, wird weiterverfolgt. Was misslingt, wird verworfen – allerdings nicht ohne vorher ausgewertet zu werden. Mit einer gewissen Beharrlichkeit können so mit kleinen Schritten große Wirkungen bei der nachhaltigen Unternehmensentwicklung erzielt werden.



Literatur

Faschingbauer, Michael. Effectuation: wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. 2., erw. und aktualisierte Aufl. Systemisches Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2013.

Kühl, Stefan. Strategien entwickeln: eine kurze organisationstheoretisch informierte Handreichung. Management kompakt. Wiesbaden: Springer VS, 2016.

Sarasvathy, Saras D. „Causation and Effectuation: Toward a Theoretical Shift from Economic Inevitability to Entrepreneurial Contingency“. Academy of Management Review 26, Nr. 2 (2001): 243–63.

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