Dr. Gerd Scholl
Nachhaltiger Konsum in der digitalen Welt
Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir konsumieren. Güter sind schneller und rund um die Uhr verfügbar, aber auch immer mehr Informationen zu ihren ökologischen Eigenschaften. Für einen nachhaltigeren Konsum ist die Digitalisierung damit Risiko und Chance zugleich. Wie die Politik die Chancen nutzen und die Risiken mindern kann, erörtert das frisch veröffentlichte Policy Paper „Politik für nachhaltigen Konsum in der digitalen Welt“. Ich habe an seiner Erstellung mitgewirkt. Das Paper ist ein Ergebnis des Projekts „Digitalisierung von Märkten und Lebensstilen: Neue Herausforderungen für nachhaltigen Konsum“, in dessen Rahmen ich eine Reihe von Innovationsworkshops moderiert habe.
Die Digitalisierung beeinflusst die Nachhaltigkeit des Konsums auf der Ebene von Produkten und Dienstleistungen. Die Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen kann positive Umweltauswirkungen haben, etwa Effizienzsteigerungen durch Smart Home Anwendungen, oder auch negative, wie beispielsweise hohe Ressourcenverbräuche durch die Herstellung und Nutzung von Computern und Smartphones. Darüber hinaus verändert sich durch die Digitalisierung das Verhalten der Verbraucher und Verbraucherinnen. Onlineshops, Vergleichsportale und digitale Vertriebskanäle haben einen neuen Konsumraum geschaffen, durch den die Umwelt entlastet werden kann, etwa wenn Apps die geteilte Nutzung von Gütern ermöglichen. Er hat aber auch das Potenzial für zusätzlichen Ressourcenverbrauch, z.B. wenn personalisierte Online-Werbung Konsumanreize setzt. Schließlich hat die digitale Transformation gesellschaftliche Auswirkungen. Die großen Suchmaschinen, Online-Marktplätze, Social Media-Plattformen und Streamingdienste haben eine enorme Marktmacht. Sie haben zu einer Dominanz werbebasierter Geschäftsmodelle geführt, die tendenziell auf eine Steigerung des Konsums ausgelegt sind.
Wir diskutieren in dem Policy Paper die Chancen und Risiken der Digitalisierung für einen nachhaltigen Konsum in acht Handlungsfeldern – von Smart Home Anwendungen über den Online-Handel bis hin zur Sharing Economy. Im Anschluss zeigen wir mit Blick auf die drei genannten Wirkungsebenen – Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen, Digitalisierung des Konsumverhaltens, gesellschaftliche Auswirkungen digitaler Geschäftsmodelle –, welche politischen Handlungsmöglichkeiten es gibt. Sie umfassen beispielsweise eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der EU-Ökodesign-Richtlinie auf digitale Endgeräte sowie die Bereitstellung von Nachhaltigkeitsinformationen in maschinenlesbarer, standardisierter Form über allgemein nutzbare Datenschnittstellen. Mit Blick auf marktmächtige Kommunikations-, Informations- und Transaktionsplattformen schlagen wir vor, dass sie entsprechend ihrer Infrastrukturfunktion nach dem Konzept der „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ auf die Wahrung von Gemeinwohlbelangen verpflichtet werden.
Die Vorschläge können nur ein erster Impuls sein. Wichtig ist, die Schnittstellen zwischen Konsum, Nachhaltigkeit und Digitalisierung weiterhin genau zu betrachten und die ohnehin stattfindende Transformation aktiv zu gestalten – zusammen mit Stakeholdern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik.
Gossen, M., Frick, V., Lell, O., Scholl, G., 2022. Politik für nachhaltigen Konsum in der digitalen Welt (Policy Paper). https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_politik_fuer_nachhaltigen_konsum_in_der_digitalen_welt.pdf
